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Ratgeber: Vor- und Nachteile von Sanierungs- und Erhaltungsgebieten

Wer ein Mehrfamilienhaus erwerben oder veräußern möchte, hat einige bau­rechtliche Gesetze zu beachten, die ins­besondere für Investierende relevant sind. Neben der aktuellen Gesetzeslage​ sollte auch die mögliche Entwicklung gemeindlicher Regelungen bei der Investitionsentscheidung berücksichtigt werden. 

Denn selbst wenn der Kauf eines Objekts bereits länger zurück­liegt, kann die örtliche Gemeinde auf Grundlage des Baugesetzbuchs (BauGB) Satzungen erlassen, die Eigentümer:innen bzw. Investierenden in ihrer Dispositions­freiheit hinsichtlich ihres Grundstückes einschränken und ihnen ggf. zusätz­liche Pflichten auferlegen. 

Gemeindesatzungen – ein wichtiger Aspekt für Ihr Immobilieninvestment

Zwei dieser Regelungsmöglichkeiten möchten wir Ihnen hier vorstellen: die Sanierungssatzung (nach § 142 BauGB), aus der sich der Begriff „Sanierungs­gebiet“ entwickelt und etabliert hat, so­wie die Erhaltungssatzung (nach § 172 BauGB), auch „Erhaltungsgebiet“ bzw. „Milieuschutzgebiet“ genannt.

Was bedeutet es für Sie als Eigentümerin oder Eigentümer, wenn sich eines Ihrer Objekte in einem Sanierungs-­ oder Erhaltungsgebiet be­findet? Welche Rechte und Pflichten gehen damit einher? Und haben Ge­meindesatzungen Auswirkungen auf den Wert Ihrer Immobilie und ihre Vermarktbarkeit? 

Hier gehen wir näher auf diese Themen ein und geben Ihnen richtungsweisende Empfehlun­gen an die Hand. Nutzen Sie diese als Basis für eine individuelle Beratung durch unsere erfahrenen Expert:innen, die Ihnen gern zur Klärung Ihrer spezifischen Fragen zur Verfügung stehen.

Sanierungssatzung – unter welchen Gegebenheiten wird sie erlassen?

Die bauliche Struktur einer Stadt unter­liegt einem stetigen Wandel. Wenn der städtebauliche Zustand eines Gebiets nicht mehr den aktuellen Standards genügt, kann die jeweilige Gemeinde eine förmliche Sanierungssatzung erlassen – und Grundstückseigentü­mern bestimmte Sanierungsmaßnah­men zur Verbesserung der Wohn­ und Arbeitsbedingungen oder den Erhalt des städtebaulichen Erbes auferlegen. 

Voraussetzung hierfür sind städtebauli­che Missstände, z.B. schwerwiegende Auswirkungen auf die gesunden Wohn­ und Arbeitsverhältnisse, die Sicherheit oder die Funktionserfüllung des Gebie­tes. Hierfür werden Gegebenheiten wie Belichtung, Besonnung und Belüftung der Wohnungen und Arbeitsstätten und ihre bauliche Beschaffenheit, die Zugänglichkeit der Grundstücke, Einwirkungen durch Lärm, Verunreini­gungen und Erschütterungen sowie die Gesamtenergieeffizienz der vorhande­nen Bebauung beurteilt. 

Ungeachtet der Tatsache, dass für diese Beurteilung – je nach baulichen Gegebenheiten und Entwicklungen – in verschiedenen Gemeinden unterschied­liche Maßstäbe angesetzt werden, werden städtebauliche Umbaumaß­nahmen von mehreren Instanzen der Regierung geprüft und sind damit förderfähig für Zuschüsse des Bundes. Viele Sanierungsgebiete stiften zudem einen hohen regionalen Nutzen durch die Aufwertung – von der Sie als Eigentümerin bzw. Eigentümer am Ende ebenso proftieren.

Immobilie im Sanierungsgebiet – was bedeutet dies für Eigentümer:innen?

Wird ein Stadtteil zum Sanierungsge­biet erklärt, sollten Sie sich als Eigentümer:in einer Immobilie auf bestimmte – u. a. finanzielle – Konsequenzen einstellen. So ist die Gemeinde berechtigt, auf­grund der mit den Sanierungsmaßnah­men einhergehenden Wertsteigerung des Grundstücks bzw. der Immobilie einen Ausgleichsbetrag zu verlangen. 

Die Zahlung dieser Pflichtabgabe gemäß § 154 BauGB wird durch die Gemeinde festgelegt und kann sich ggf. über mehrere Jahre erstrecken. Faktisch bedeutet das, dass Sie an der Vorbereitung und Durchfüh­rung der Sanierung beteiligt werden. 

Hiermit soll sichergestellt werden, dass die unmittelbar sanierungsbedingten Vorteile für Grundstückseigentümer in Form von Bodenwertsteigerungen nicht ohne Gegenleistung bleiben und eine Bereicherung auf Kosten der Gemeinde verhindert wird. 

Verkäufe müssen von der Gemeinde schriftlich genehmigt werden 

Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihr Grundstück im Laufe der Sanierung vermarkten wollen, können dies nach § 153 Abs. 1 BauGB nur zum sanierungsunbeein­flussten Wert tun und sich den Kosten somit nicht entziehen. Zudem müssen Immobilien-­ und Grundstücksverkäufe von der Gemeinde schriftlich geneh­migt werden. 

Dies gilt ebenfalls für die Bestellung von grundstücksbelastenden Rechten wie z.B. Grundschulden, Hypotheken, Grunddienstbarkeiten oder Nießbrauchsrechten. Damit soll die Gemeinde finanzielle Belastungen des Grundstücks verhindern können, die nicht baulichen Investitionen auf dem Grundstück dienen, und die Entrichtung des Ausgleichsbeitrags sichern. 

Zu guter Letzt ist auch der Einfluss auf die Vermietbarkeit der Immobilien zu bedenken, da sich die Bauarbeiten nicht selten über mehrere Jahre hinziehen können.

Steuervorteile bei der Sanierung – welche Abschreibungen sind möglich?

Für die Modernisierung und Instand­setzung von Immobilien, die in soge­nannten Sanierungsgebieten liegen, gibt es heute nach wie vor erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten. Für Baumaßnahmen in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder einem städtebaulichen Entwicklungs­bereich können gemäß §7h EStG erhöhte Abschreibungen wie folgt geltend gemacht werden: acht Jahre bis zu 9% und vier Jahre bis zu 7% (wo­hingegen der sonstige durchschnittliche Abschreibungswert 2 % beträgt). Be­messungsgrundlage hierfür sind die Herstellungskosten der begünstigten Baumaßnahme.

Die erhöhten Abschreibungen können jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn die zuständige Gemein­debehörde bescheinigt, dass die Vor­aussetzungen für das jeweilige Objekt erfüllt sind. Liegt diese Bescheinigung nicht vor oder ist das Objekt, z. B. eine Eigentumswohnung, in der Beschei­nigung nicht konkret genannt, kann die erhöhte Abschreibung nicht in Anspruch genommen werden.

Erhaltungssatzung – unter welchen Bedingungen wird sie beschlossen?

In Gebieten, deren städtebauliche Eigenart und Gestalt erhalten bleiben soll, können Gemeinden mittels Satzung eine Veränderungssperre beschließen. Im Rahmen einer solchen Erhaltungs­satzung müssen Immobilieneigentümer den Neubau, die Nutzungsänderung oder den Abriss baulicher Anlagen beantragen und behördlich genehmigen lassen.

Die Festlegung solcher Gebiete dient u.a. dem Schutz des Orts­ bzw. Land­schaftsbildes und dem Erhalt städtebau­lich bedeutsamer baulicher Anlagen. Eine Sonderform der Erhaltungssat­zung ist die sog. Milieuschutzsatzung, die den Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zum Ziel hat.

Man kann die Erhaltungssatzung auch als „kommunalen Denkmalschutz“ ver­stehen, denn Kommunen und Gemein­den können damit unabhängig vom regulären Denkmalschutz Quartiere oder Straßenzüge vor unerwünschten oder nachteiligen Veränderungen be­wahren. Zudem können sie dafür Sorge tragen, dass sich Neubauten besser in die Umgebung einfügen, als das allein nach § 34 BauGB (Einfügungsgebot) möglich wäre, beispielsweise durch die Verwendung eines Satteldaches, die Fensterformate oder Fassaden­farbe. Hierfür bedarf es lediglich einer fundierten Begründung in der Satzung.

Immobilie im Erhaltungsgebiet – welche Auflagen gehen damit einher?

Will eine Eigentümerin oder ein Eigentümer Veränderungen am Grundstück bzw. Gebäude vor­nehmen, entscheiden die Erhaltungs­ziele der jeweiligen Satzung darüber, ob diese zulässig sind. Dieses Geneh­migungserfordernis ist unabhängig von einer etwaigen landesrechtlichen Genehmigungsfreiheit nach dem Bauordnungsrecht des jeweiligen Landes. 

Somit sind Einschränkungen für Eigentümer:innen in einem Erhaltungsgebiet im Hinblick auf Sanierung, Verkauf und Vermietung nicht auszuschließen. So kann die zuständige Behörde bauliche Maßnahmen ablehnen oder an Auflagen binden. Letztere können wiederum in der Begrenzung des Modernisierungs­umfangs oder der Untersagung von Grundrissänderungen wie beispielsweise der Zusammenlegung von Wohnungen liegen. 

Ebenso können neben der Auf­teilung von Mehrfamilienhäusern in einzelne Eigentumswohnungen auch Wohnungsumnutzungen oder energe­tische Sanierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Mieterhöhung verboten werden. Auch Um­- und Anbaumaßnahmen (z.B. Balkone), die sich auf die Miete auswirken, stehen der Zielsetzung einer Erhaltungssatzung entgegen und werden daher in der Regel abgelehnt.

Tendenz in deutschen Großstädten – wie viel Einfluss nehmen Gemeinden?

Insbesondere wachstumsstarke Groß­städte sind durch anhaltende Gentri­zierung samt steigenden Mieten und Kaufpreisen oft im Fokus von Investo­ren. Das heißt, die Attraktivitätssteige­rung in einzelnen Stadtteilen zieht ein immer zahlungskräftigeres Publikum an, während einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen abwandern, sodass eine kulturelle Durchmischung meist nicht mehr gegeben ist. 

Diesem Trend versuchen die Gemeinden vermehrt mit entsprechenden Satzungen entgegenzuwirken – um auf der einen Seite die Attraktivität der Lagen zu stärken und auf der anderen Seite zu verhindern, dass beispielsweise durch die Aufteilung eines Mehrfamilienhau­ses in Eigentumswohnungen bestehen­de Strukturen durch Eigentümer:innen verdrängt werden. Es ist davon auszugehen, dass Gemeinden zukünftig deutschland­weit vermehrt diese Gebiete ausweisen werden, um die soziokulturelle Viel­falt in den Regionen zu sichern.

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