Soziale Erhaltungsverordnung und Vorkaufsrecht der Stadt

Inhaltverzeichnis


  1.  Soziale Erhaltungsverordnung - Schutzwirkung für Mieter
  2. Vorkaufsrecht der Stadt in sozialen Erhaltungsgebieten
  3. Aktuell: Urteil des BVerwG über die Nicht- Zulässigkeit des städtischen Vorkaufsrechts
  4. Folgen des städtischen Vorkaufsrechts und der aktuellen Rechtslage für Käufer in sozialen Erhaltungsgebieten
  5. Folgen des städtischen Vorkaufsrechts und der aktuellen Rechtslage für Eigentümer in sozialen Erhaltungsgebieten


Soziale Erhaltungsverordnung - Schutzwirkung Mieter


Bis zum Jahr 2035 wird ein Bevölkerungsanstieg für die Stadt auf 2 Millionen Einwohner erwartet - nicht ohne Folgen für den Hamburger Wohnungsmarkt: Die gestiegene Nachfrage führt einerseits zu steigenden Miet- und Kaufpreisen. Gleichzeitig verändert sich das Immobilienangebot durch Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen, Abriss & Neubau, Zusammenlegung von Wohnungen. Die häufig als “Luxussanierung” bezeichnete veränderte Struktur des Wohnungsangebots birgt die Gefahr einer Verdrängung einzelner Bevölkerungsgruppen durch einkommensstärkere Anwohner. Um dieser Gentrifizierung entgegenzuwirken, erlässt die Stadt Hamburg für besonders schützenswerte Stadtteile soziale Erhaltungsverordnungen auf Basis des Baugesetzbuches (§172 Abs.1 BauGB).

Die soziale Erhaltungsverordnung in Hamburg ermöglicht der Stadt, bauliche Maßnahmen zu untersagen, die zu einer “Verknappung des Wohnraums verdrängungssensibler Bevölkerungsgruppen” führen können. Hierzu zählen insbesondere der Abriss von Gebäuden oder Gebäudeteilen, bauliche Veränderungen und Modernisierungen, aber auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. 

Für Eigentümer eines Mehrfamilienhauses bedeutet die soziale Erhaltungsverordnung in Hamburg, dass sämtliche Maßnahmen, die zu einer Aufwertung des Gebäudes führen können, genehmigungspflichtig sind. Beim Kauf eines Mehrfamilienhauses in einem sozialen Erhaltungsgebiet verpflichtet sich ein Käufer, die in den sozialen Erhaltungsgebieten geltenden gesetzlichen Regeln anzuerkennen und einzuhalten. Hierzu zählt auch der Ausschluss von Mieterhöhungen oberhalb des Mittelwerts des aktuell gültigen Mietenspiegels in Hamburg. Bleibt diese Verpflichtungserklärung aus, kann die Stadt Hamburg von Ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. 

Vorkaufsrecht Stadt Hamburg

Mit dem Vorkaufsrecht befindet sich die Stadt in einer Art “Pole Position”, wenn es um den Kauf von Mehrfamilienhäusern in Hamburger sozialen Erhaltungsgebieten geht. Wird ein Mehrfamilienhaus in einem sozialen Erhaltungsgebiet verkauft, so prüft die Stadt, ob der Käufer das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zwecken der sozialen Erhaltungsverordnung nutzen wird. Unter anderem wird geprüft:


  • Planung (energetischer) Sanierungen
  • Anbau / Vergrößerung von Balkonen
  • Nutzung von Ausbaupotentialen z.B. im Dachgeschoss
  • Änderung des Vermietungsangebots (z.B. möblierte Vermietung)


Liegt bei einem Grunderwerb in einem sozialen Erhaltungsgebiet die begründete Annahme vor, dass durch den Erwerb eine nachteilige Änderung der Bewohnerstruktur zu befürchten ist, kann die Stadt Hamburg von Ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Um einen Vorkauf der Stadt zu vermeiden, kann eine Abwendungsvereinbarung mit der Stadt geschlossen werden.

Wird eine Abwendungsvereinbarung nicht geschlossen, kann die Stadt in den Kaufvertrag auch zu niedrigeren Konditionen einsteigen. Der Verkäufer kann dann innerhalb von einem Monat vom Kaufvertrag zurücktreten oder verkauft zu dem niedrigeren Kaufpreis an die Stadt. Liegen keine schützenswerten Interessen gemäß der sozialen Erhaltungsverordnung vor, verzichtet die Stadt Hamburg in der Regel auf Ihr Vorkaufsrecht.

Durch ein Urteil des BVerwG zum Vorkaufsrecht aus dem November 2021 ist das Vorkaufsrecht entgegen der bisherigen Vorkaufspraxis aktuell deutlich eingeschränkt. 

In seinem Urteil vom 09.11.2021 hat das BVerwG entschieden, dass die o.g. Vorkaufspraxis nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen rechtmäßig ist. 



+++ Aktuell: Urteil des BVerwG über die Nicht-Zulässigkeit des städtischen Vorkaufsrechts +++



Nach §26 Nr.4 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird. Darüber hinaus ist das Vorkaufsrecht ausgeschlossen, wenn für das verkaufte Mehrfamilienhaus keine Missstände oder Mängel im Sinne des §177 BauGB vorliegen. 


Das BauGB stellt hierbei jedoch ausschließlich auf den tatsächlichen Status quo zum Zeitpunkt des Erwerbs ab und beinhaltet nicht die Frage, ob ein Erwerber zukünftig entgegen der städtebaulichen Zwecke das Grundstück potentiell nutzen könnte. Zukünftige Erwartungen oder Entwicklungen sind daher für das Vorkaufsrecht der Stadt Hamburg nicht relevant.

 Hamburg
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Roland Hoinka, Rechtsanwalt und Partner der renommierten Hamburger Immobilien- und Baurechtskanzlei Oberthür und Partner, sieht daher das Vorkaufsrecht der Stadt Hamburg eingeschränkt. “Insbesondere sei die Ausübung des Vorkaufsrechts in sozialen Erhaltungsgebieten nicht mehr möglich, wenn dieses begründet wird mit…


  1. …der Berücksichtigung zukünftiger Absichten des Käufers, selbst bei offensichtlichen Absichten der Aufteilung
  2. … Ablehnung der Unterzeichnung der Abwendungsvereinbarung durch den Käufer
  3. ...einem zu hohen Kaufpreis, durch den Wirtschaftlichkeit im derzeitigen Vermietungsstand in Abrede gestellt würde.”


“Gleichwohl sei eine weitere Ausübung unter den o.g. Voraussetzungen des §26 Nr. 4 BauGB möglich” sagt Roland Hoinka.

Folgen des städtischen Vorkaufsrechts und der aktuellen Rechtslage für Käufer


1.  Lohnt sich ein Kauf eines Mehrfamilienhauses in einem sozialen Erhaltungsgebiet

  • eindeutig ja: Kapitalanleger, die den langfristigen Charakter eines Immobilieninvestments zu schätzen wissen, profitieren weiter von einer hohen Mieternachfrage und einer sicheren Vermietbarkeit in gefragter Lage


2. Dauer Ankaufprozess


  • ein geschlossener Kaufvertrag wird erst nach Verzicht auf Ausübung des städtischen Vorkaufsrechts gültig. Der Ankaufsprozess verlängert sich daher um bis zu 3 Monate


3. Abgabe einer Abwendungserklärung


  • Im Ankaufsprozess reicht eine einseitige Abwendungserklärung des Käufers gem. §27 BauGB. Diese beinhaltet, dass sich ein Käufer an die geltenden gesetzlichen Vorschriften (BauGB, Mietenspiegel etc.) hält 
  • nicht notwendig ist der Abschluss einer z.B. 30-jährigen Abwendungsvereinbarung mit der Stadt Hamburg




Folgen des städtischen Vorkaufsrechts und der aktuellen Rechtslage für Eigentümer


1. Wert Ihrer Immobilie

  • durch die Einschränkungen der sozialen Erhaltungsverordnung und der bisher ausgeübten Vorkaufspraxis sinkt die Nachfrage ggü. vergleichbaren Stadtteilen außerhalb der sozialen Erhaltungsgebiete. Der Verkaufspreise erreichen daher nur selten die absolute Preisspitze
  • Gleichzeitig sind die sozialen Erhaltungsgebiete i.d.R. von einer hohen Mieternachfrage geprägt, was zu einer hohen Preisstabilität führt
  • durch die aktuelle Rechtsprechung steigt aktuell die Nachfrage nach Mehrfamilienhäusern in sozialen Erhaltungsgebieten, was - objektabhängig - zu einer kurzzeitigen Preiserhöhung führen kann


2. Verkaufsmöglichkeiten

  • ein Verkauf ist grundsätzlich ohne Einschränkung möglich. Lediglich ein möglicher Verkauf durch die Stadt Hamburg innerhalb von 3 Monaten nach Abschluss des Kaufvertrages sollte berücksichtigt werden. Wenn die Stadt jedoch zum mit dem Käufer vereinbarten Kaufpreis in den Kaufvertrag einsteigt, entstehen keine Nachteile für Sie als Verkäufer.
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