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16. November 2023 | Auf unserem Informationsabend „Nachhaltige Immobilien: Einblicke in die Finanzierungs- und Kapitalmärkte und Förderwege für effiziente Gebäude“ sprach Martin Wolnik, Bereichsleiter Private Banking bei der Berliner Volksbank, über das Gebäudeenergiegesetz und die Folgen für Banken und private Investoren. Wir haben noch einmal nachgefragt und den Finanzexperten gebeten, uns ein aktuelles Lagebild des Immobilienmarkts angesichts der ökologischen Transformation zu zeichnen.
Herr Wolnik, welche Anforderungen stellt das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) an Bestands- und Neubauten?
Das neue GEG, das am 01.01.2024 in Kraft tritt, zielt darauf ab, den Energieeinsatz in Gebäuden zu reduzieren und vermehrt Energie aus erneuerbaren Quellen vor Ort zu nutzen. Ein wichtiges Kriterium dafür ist die Energieeffizienzklasse eines Gebäudes, kurz EEK.
Für die Bestimmung der EEK, gibt es ein Referenzgebäude der KfW, das als Bezugsgröße für die Berechnung dient.
Um die Ziele des Gesetzes zu erreichen, wurden darin verschiedene Vorschriften fixiert. So müssen Gebäude in einem Neubaugebiet z. B. ab 2024 zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien beheizt werden.
Auch für den Gebäudebestand gibt es Vorgaben. Heizungen, die vor 2024 eingebaut worden sind, dürfen noch bis spätestens 2044 mit bis zu 100 Prozent fossilem Erdgas betrieben werden, soweit nicht bereits eine vorherige Austauschpflicht gem. GEG greift. Wer seine Heizungstechnik schon früher austauschen möchte, um möglichst klimaneutral zu heizen, kann zudem Zuschüsse z. B. der BAFA in Anspruch nehmen. Überdies gibt es weitere Vorgaben für Modernisierungen, die das Gesetz vorschreibt. Wir bemerken in der Hinsicht eine hohe Entwicklungsgeschwindigkeit und rechnen mit weiteren Adjustierungen, wie z. B. über den 14-Punkte-Plan des Wohnungsbaugipfels.
Sie sehen: eine sehr komplexe Materie, die unbedingt eine qualifizierte Beratung erfordert.
Es gibt ja auch die sogenannte Solarpflicht auf Länderebene
Ja, viele Bundesländer haben sie eingeführt oder planen sie. In Berlin schreibt das Berliner Solargesetz z. B. vor, dass Neubauten ab einer Nutzfläche von 50 Quadratmetern mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden müssen. Das gilt unter anderem auch für bestehende Gebäude in privater Hand, wenn das Dach saniert oder aufgestockt wird.
Was bedeuten all diese Anforderungen für Sie als Bank?
Die Folge ist, dass wir als Bank zum 01.01.2024 erstmalig auch einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, der die sogenannte „Green Asset Ratio“ – also den Anteil der „grünen“ Finanzierungen im Bestand für das vergangene Jahr ausweist. Wichtig ist dabei aber auch, dass diese Kennzahl nicht treffsicher in der Abgrenzung ausgewiesen werden kann, da es gewisse Schwellenwerte gibt, die etwa kleine und mittlere Finanzierungen nicht erfassen.
Und welche Konsequenzen haben die Bestimmungen für Finanzierungen? Was sagen Sie Ihren Kunden, wenn der energetische Zustand des Gebäudes zu wünschen übrig lässt?
Das ist eine ganz entscheidende Frage, die wir aktuell von vielen unserer Kunden gestellt bekommen. Gegenwärtig sammeln wir viele (statistische) Daten, die im Einzelfall um weitere individuelle Kennziffern ergänzt werden. Daraus leiten wir weitere Maßnahmen ab, die auch Einfluss auf unsere Beratung und die Umsetzung von Finanzierungsanträgen haben werden.
In jedem Fall lässt sich jetzt schon sagen, dass die Energieeffizienzklasse von zu finanzierenden Immobilien in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Bewertung dieser Immobilien und unserer Betrachtung des Kreditantrages spielen wird. Je besser also der jeweilige energetische Zustand, desto günstiger sind die Auswirkungen auf die Kreditvergabeentscheidung und das Pricing.
Sollte im Einzelfall der aktuelle energetische Zustand einer Immobilie nicht im zukünftig notwendigen Zielkorridor liegen, ist ein sog. individueller Sanierungsfahrplan (ISF) unabdingbar.
Des Weiteren arbeiten wir mit Hochdruck an einem systematischen Score, der die Integration von ESG-Kriterien in die Kreditentscheidung transparent und effizient gestaltet.
Wann wird es denn diesen systematischen Score geben?
Das ist schwer zu sagen. Es ist eine große Herausforderung, Bewertungsparameter und -modelle zu entwickeln, die einheitlich auf einen Großteil der Anträge angewendet werden können. Man kann aber heute schon ziemlich sicher sagen, dass aus „Lage, Lage, Lage“ jetzt „Lage, Lage, EEK“ wird. Und natürlich ist weiterhin die nachhaltige Bedienbarkeit einer Finanzierung aus vorhandenen Cash-Flows von hoher Bedeutung.
Lassen Sie uns über den Berliner Markt für Wohnimmobilien sprechen. Sehen Sie angesichts der Kostensteigerungen durch die erweiterten Bau- und Energieeffizienzstandards noch Chancen für ein lohnendes Investment?
Eindeutig ja, denn der Bedarf ist riesig. Wir wissen, dass der Neubausektor noch lange nicht auf dem Niveau ist, auf dem er eigentlich sein müsste. Statt der dringend benötigten 400.000 Wohnungen werden wir in diesem Jahr in Deutschland wohl nur 260.000 bauen, Tendenz fallend. Neben den Kostensteigerungen durch höhere Bau- und Energieeffizienzstandards gibt es viele weitere Gründe wie Preissteigerungen bei Materialien und Handwerksleistungen, Lieferengpässe oder zu viel Bürokratie. Wir sehen daher aktuell eine klare Angebotsverknappung am Immobilienmarkt.
Und die Nachfrage nach Wohnraum wächst
Ja, die Bevölkerungszahl in Deutschland wächst, ganz besonders in Berlin. Immer noch steigt die Zahl der Beschäftigten und Studierenden, zudem verlagern viele Unternehmen und Verbände ihren Sitz in die Hauptstadt, viele Start-ups werden hier gegründet. Berlin wirkt weiterhin als Magnet. Und diejenigen, die sich aufgrund der hohen Kosten gegen den Kauf einer Wohnung zur Eigennutzung entscheiden, erhöhen die Nachfrage nach Mietwohnungen. Da sehen wir keine Trendumkehr, eher im Gegenteil. Die Eigentumsquote in Berlin liegt knapp über 20 % – das ist im Bundesdurchschnitt mit ca. 42 % stark unterdurchschnittlich und im Hinblick auf gesellschaftspolitische Aspekte in Bezug auf Altersvorsorge ein Drama.
Wir haben also eine starke Angebotsverknappung und auf der anderen Seite eine riesige Bedarfslücke. Das hat die Mietpreisentwicklung in die Höhe schnellen lassen, von durchschnittlich 6,65 Euro pro Quadratmeter noch im Jahr 2012 auf 12,92 Euro im zweiten Quartal dieses Jahres. Und ich denke, dieser Preis wird in absehbarer Zeit nicht wieder deutlich fallen.
Welches Fazit ziehen Sie aus der Analyse des Marktumfelds?
Bei den Kaufpreisen zeichnet sich unseres Erachtens eine Bodenbildung ab, die Angebotsmieten steigen und eine schwache Neubautätigkeit wertet die Bestände auf. Auch die Inflation begünstigt reale Assets.
Ich sehe, dass die Investitionschancen die Risiken nach wie vor überwiegen. Meiner Einschätzung nach sind Immobilien – unter Berücksichtigung bestimmter Parameter – nach wie vor ein sinnvolles Investment, auch wenn wir uns daran gewöhnen müssen, dass sich Betrachtungszeiträume verlängern.
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