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14. August 2023 | Nachhaltigkeit ist eines der bestimmenden Themen bei Immobilien. Für deren Finanzierung werden ESG-Aspekte immer bedeutender. Im Gespräch mit Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank, haben wir erfahren, wie der aktuelle Stand ist, wie insbesondere seine Bank die regulatorischen Anforderungen in der Praxis umsetzen wird und worauf sich Investoren einstellen müssen.
Carsten Jung: Es geht um nachhaltige Gebäude. Mit dem „E“ sind ökologische Ziele wie zum Beispiel die Verringerung der Treibhausgasemissionen und die Senkung des Energie-, Strom- und Wasserverbrauchs gemeint, aber auch die Energiebilanz verwendeter Baumaterialien.
Hinzu kommen soziale Kriterien, also die gesellschaftliche Verantwortung, sowohl objektbezogen wie auch auf den Eigentümer oder Betreiber. Zu diesem Bereich gehören unter anderem die Arbeitssicherheit für Mitarbeiter, Gesundheitsschutz, der Bau von Sozialwohnungen, Beiträge zur Infrastruktur und die Barrierefreiheit.
Hinter den Governance-Kriterien steckt schließlich, dass sich das bauende oder den Bestand verwaltende Unternehmen gesetzestreu und ethisch einwandfrei verhält und gut geführt wird. Bei den ESG-Kriterien geht es also um die Bewertung von Projekten und Unternehmen bezüglich ihrer Umweltfreundlichkeit, ihrer sozialen Auswirkungen und der Integrität der Firmen
Jung: Im Neubau, bei Renovierungen und beim Objektkauf werden die ESG-Kriterien zusehends relevanter.
Die Genossenschaftsbanken entwickeln zurzeit einen ESG-Score für das Finanzierungsgeschäft. Hierbei werden unter anderem Kreditnehmer, Objekte sowie deren Branchenzugehörigkeit berücksichtigt.
Hierfür müssen wir aber noch relevante Daten zusammentragen. Heute bedienen wir uns vor allem zunächst noch statistischer Werte wie beispielsweise Branche und Postleitzahl. Auch werden die Daten aus Energieeffizienzausweisen zusehends wichtiger. Die Berücksichtigung dieser Daten in den Kreditprozessen läuft ebenso an. Vieles ist hier noch am Entstehen.
Jung: Banken in der EU müssen für das Berichtsjahr 2023 eine neue Kennzahl, die Green Asset Ratio, ausweisen. Diese soll anzeigen, welcher Anteil ihres Geschäfts nachhaltigen Kriterien nach der EU-Taxonomie genügt. Noch ist vieles in der Findungsphase. Insgesamt scheint diese Kennzahl aus unserer Sicht perspektivisch alleine nicht abschließend aussagekräftig, zumal mittelständische und kleinere Unternehmen aufgrund gesetzter Schwellenwerte hier keine Berücksichtigung finden.
Festzuhalten bleibt aus unserer Sicht, dass die Banken bei der Datenerhebung für Nachhaltigkeitszwecke mutmaßlich eine wichtige Rolle einnehmen werden.
Jung: Eines bleibt dabei unverändert: Für die Kreditentscheidung schauen wir als Bank darauf, dass die erzielbaren Mieten die Zinsen und die Annuität bedienen können – über die gesamte Laufzeit. Zu den Zahlungsströmen gehören unter anderem auch die C02-Abgaben. Wenn ein Haus weitgehend saniert ist, muss der Mieter einen entsprechend hohen Teil selbst tragen, andernfalls bleibt die Belastung beim Vermieter.
Seit November 2020 gilt das Gebäudeenergiegesetz, das ab 2024 verschärft werden soll. Bereits in der derzeitigen Fassung muss ein neuer Eigentümer einer Wohnimmobilie innerhalb von zwei Jahren beispielsweise eine 30 Jahre alte Gas- oder Ölheizung austauschen und die oberste Geschossdecke dämmen.
Wer heute einen Kredit für den Kauf eines sanierungsbedürftigen Gebäudes will, muss auch einen Plan für dessen Sanierung vorlegen. Möglicherweise muss der Kreditnehmer dafür einen weiteren Kredit aufnehmen, um zum Beispiel die Heizung auszutauschen oder das Haus zu dämmen. Das Objekt muss schließlich verwertbar bleiben. Und der ESG-Status bestimmt maßgeblich den Verkehrswert.
Aktuell können zwar die ESG-Kriterien noch nicht mathematisch genau die Kreditkonditionen bestimmen, doch an der grundsätzlichen Mechanik arbeiten wir und auch die gesamte Branche. Kreditnehmer werden sich perspektivisch auf diese Formel einstellen müssen: Je weniger nachhaltig die Immobilie ist, desto anspruchsvoller stellt sich perspektivisch eine Finanzierung dar.
Jung: Die Energieeffizienz (insbesondere bei Wärme- und Energieversorgung), die Qualität der Steigleitungen (Elektroinstallation, Heiz- und Leitungswasser) sowie zunehmend auch der Wasserverbrauch. Auch Bauweise und grundsätzlich eingebrachte Baustoffe spielen eine Rolle.
Jung: Notwendige Sanierungen stoßen auf praktische Probleme wie Handwerker- und Materialmangel. Dieses Thema liegt zwar nicht originär im Zuständigkeitsbereich der Bank, gleichwohl machen wir uns auch dazu Gedanken. Auf dem Gebiet der immer wichtiger werdenden Fördermittelberatung baut die Berliner Volksbank, zusätzliche Expertise auf. Gerade erst wurden wir für unsere exzellente Förderberatung durch die DZ Bank ausgezeichnet. Die Berliner Volksbank band allein im vergangenen Jahr 105 Millionen Euro Förderkreditmittel in ihre Finanzierungen ein.
Wohnen muss aber für alle bezahlbar bleiben, trotz gestiegener ökologischer Anforderungen. In diesem Spannungsfeld muss auch das „S“ beim ESG zum Tragen kommen. KfW-Förderungen, vom Steuerzahler finanzierte Zuschüsse, tragbare Mietsteigerungen und sozial geförderter Wohnungsbau sind diesbezüglich relevante Handlungsfelder.
Jung: Inwiefern das „G“ eine messbare Einflussgröße bei der Immobilienfinanzierung darstellen kann und wird, ist hingegen zurzeit noch nicht zu erkennen. Vermutlich bleiben die Auswirkungen im Vergleich zu den ökologischen und sozialen Kriterien vergleichsweise überschaubar.
Jung: Bereits Pflichtprogramm im gewerblichen Neubau sind die Nachhaltigkeitszertifikate wie DGNB Platin/Gold, LEED usw. Damit eine Immobilie in einigen Jahren noch verwertet werden kann, muss sie heute so gebaut werden, dass sie die Bestimmungen eines Nachhaltigkeitszertifikats einhält.
Schwieriger ist es im Bestand: Hier dürften zahlreiche Büroimmobilien im Sinne der Zertifikate nicht nachhaltig sein. Hier sollten Investoren damit rechnen, dass Finanzierer ihre Anforderungen verstärken werden, damit auch solche Immobilien vermiet- und verwertbar bleiben.
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