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Seit Anfang 2022 haben sich die Bauzinsen nahezu vervierfacht. Dies wirft für Immobilieneigentümer brennende Fragen auf: Wie beeinflusst dies die Anschlussfinanzierung? Und steht Deutschland vor einem Immobilien-Crash?
16. August 2023 | von Julian Männel, Teamleiter im PreSales bei Engel & Völkers Commercial Berlin, vormals 18 Jahre Direktor im Bereich Private Baufinanzierungen bei einem der großen Bankeninstitute.
Zu Beginn des Jahres 2022 konnten Immobilienkäufer noch von Zinssätzen um die 1 Prozent profitieren. Doch die Zeiten haben sich geändert. Aktuell bewegen sich die Bauzinsen teilweise deutlich über 4 Prozent. Ein solcher Anstieg in so kurzer Zeit hat viele potenzielle Käufer verunsichert. Aber nicht nur Neukäufer sind von dieser Entwicklung betroffen. Immobilieneigentümer, die in den kommenden Jahren eine Anschlussfinanzierung benötigen, sehen sich genauso mit der Herausforderung steigender Zinskosten konfrontiert.
Ein kritischer Punkt, den viele übersehen, kann die geringe Tilgungsrate der in den vergangenen Jahren abgeschlossenen Kredite sein, die durchschnittlich bei nur 1 Prozent pro Jahr lag. Dies bedeutet, dass trotz niedriger Zinsen in der Vergangenheit, viele Eigentümer nur einen kleinen Teil ihres Darlehens tatsächlich getilgt haben. Dies könnte die Belastung bei einer Anschlussfinanzierung mit gestiegenen Zinsen merklich erhöhen.
Insbesondere kurzfristig festgeschriebene Finanzierungen könnten für einige Käufer zur Herausforderung werden, vorwiegend dann, wenn sie sich gar für eine variable Zinsbindungsfrist entschieden haben. Solche Finanzierungen sind ursprünglich meist nur als Zwischenschritt geplant, mit der Perspektive zu einem späteren Zeitpunkt mit besseren Konditionen langfristig abschließen zu können. Dieses Konstrukt geht nun jedoch für einige Marktteilnehmer nicht auf, hauptsächlich bei Eigentümern, die von vornherein besonders knapp kalkuliert haben.
Ein Blick in die nahe Zukunft zeigt, dass zwischen 2026 und 2028 sehr viele Anschlussfinanzierungen anstehen. Dieses hohe Volumen könnte den Markt unter Druck setzen, vor allem, wenn die Zinsen weiterhin auf einem höheren Niveau verharren.
Dennoch gibt Julian Männel insgesamt Entwarnung – besonders für den Wohn- und Geschäftshausmarkt. Denn der Großteil der bestehenden Finanzierungen in diesem Segment wurde über zehn Jahre oder sogar länger festgeschrieben. Das bedeutet, dass viele Eigentümer, die in den kommenden Jahren eine Anschlussfinanzierung benötigen, noch Zeit haben, sich adäquat auf diese Situation vorzubereiten. Der Experte empfiehlt die folgende Herangehensweise.
1. Ernsthaftigkeit bei der Anschlussfinanzierung: Behandeln Sie die Anschlussfinanzierung genauso sorgfältig wie die Erstfinanzierung. Es geht nicht nur um eine Verlängerung, sondern oft um einen neuen Vertrag.
2. Frühzeitig informieren: Starten Sie im besten Fall bereits 24 Monate vor Ablauf Ihrer aktuellen Finanzierung mit der Recherche, um sich über Marktkonditionen zu informieren und Angebote zu vergleichen. Holen Sie Angebote von verschiedenen Banken ein, um die besten Konditionen zu finden. Ein Abschluss ist bereits zu diesem frühen Zeitpunkt möglich.
3. Umschuldung und Vorfälligkeitsentschädigung: Eine Umschuldung kann trotz anfallender Kosten und eventueller Vorfälligkeitsentschädigung vorteilhaft sein, insbesondere wenn der Immobilienwert gestiegen ist. Es ist ratsam, bei der Bank die Vorfälligkeitsentschädigung anzufragen und diese in die Berechnung einer möglichen Folgefinanzierung mit aufzunehmen.
4. Sondertilgungen und Sonderkündigungsrecht: Erkundigen Sie sich nach Möglichkeiten für Sondertilgungen, um die Restschuld effektiv zu reduzieren. Diese sind oft bereits unbeachtet im Darlehensvertrag mit inkludiert und belaufen sich meist zwischen 5 und 10% der Darlehenssumme pro Jahr. Unabhängig von langfristigen Zinsfestschreibungen, wie 15 oder 20 Jahren, haben Sie ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht ohne Vorfälligkeitsentschädigung nach einer Laufzeit von 10 Jahren. Dieses Recht kann strategisch genutzt werden, vornehmlich wenn Sie von weiter steigenden Zinsen in der Zukunft ausgehen. Ein frühzeitiger Einstieg in die Folgefinanzierung könnte sich dann als vorteilhaft erweisen.
5. Eigenkapital: Überlegen Sie, zusätzliches Eigenkapital in die Anschlussfinanzierung einzubringen.
6. Bausparverträge einbeziehen: Wenn Sie in der Vergangenheit einen Bausparvertrag abgeschlossen haben, könnten Sie von den damals vereinbarten günstigeren Zinsen profitieren. Überprüfen Sie die Konditionen Ihres Bausparvertrags, um zu sehen, ob er für die Anschlussfinanzierung genutzt werden kann.
7. Expertenrat: Konsultieren Sie einen unabhängigen Finanzberater oder Baufinanzierungsvermittler.
Die Anschlussfinanzierung stellt für Immobilieneigentümer eine entscheidende Phase dar, die maßgeblich über die zukünftige finanzielle Belastung entscheidet. In der aktuellen Zeit steigender Zinsen mag sie zunächst als Herausforderung erscheinen. Doch es gibt es auch positive Entwicklungen: Die Immobilienpreise in Berlin haben in den vergangenen 10 Jahren durchschnittlich beachtliche Zuwächse von jährlich 7 bis 10 Prozent verzeichnet. Dies eröffnet für viele z. B. auch die Tür für einen profitablen Verkauf – oft ist dieser sogar steuerfrei. Mit dem daraus resultierenden Kapital kann dann in dem deutlich attraktiver gewordenen Umfeld an Alternativen neu investiert werden.
Trotz der aktuellen Unsicherheiten zeigt sich besonders der Markt für Wohnimmobilien in Berlin robust. Ein systemisches Risiko, wie wir es aus der Finanzkrise 2008 in den USA kennen, ist derzeit nicht in Aussicht. Im Gegenteil – der stark eingebrochene Neubau wird die Preise in der Hauptstadt zumindest stabilisieren.
Daneben gibt es, wie zuvor erörtert, effektive Strategien und Instrumente, wie bereits geschlossene Bausparverträge oder die Möglichkeit der frühzeitigen Umschuldung, die helfen können, finanzielle Hürden zu überwinden oder sogar von der aktuellen Marktlage zu profitieren.
Eine sorgfältige und rechtzeitige Planung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Es lohnt sich, verschiedene Optionen zu prüfen, Angebote zu vergleichen und sich von Experten beraten zu lassen. Mit der richtigen Vorbereitung, einem klaren Überblick über die eigenen finanziellen Möglichkeiten und einem verlässlichen Partner an Ihrer Seite können Sie sicherstellen, dass Sie die Phase der Anschlussfinanzierung nicht nur erfolgreich meistern, sondern auch langfristig von den getroffenen Entscheidungen profitieren.
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